Die Fähigkeit, Sprache(n) zu erwerben, ist Teil der genetischen Veranlagung eines Menschen. Das Gehirn eines Kleinkindes ist von Natur aus darauf vorbereitet, sprachliche Muster zu entdecken sowie Regeln zu bilden und zu verfeinern. Schon die Kleinsten verstehen viel. Bevor Kinder selbst erste Wörter aussprechen (Sprachfähigkeit), verfügen sie bereits über einen passiven Wortschatz. Sie zeigen durch ihre Blickrichtung oder ihr Verhalten, dass sie eine Mitteilung oder eine Aufforderung verstehen können (Sprachverständnis). Die Entwicklung der Sprachfähigkeit ist kein linearer Prozess, sondern macht Pausen, die manchmal wie Rückschritte wirken. In welchem Alter ein Kind das erste Wort klar und deutlich sprechen kann, ist von Kind zu Kind verschieden. Die Sprachentwicklung verläuft individuell so unterschiedlich, dass in den ersten drei Lebensjahren nur schwer von einer altersgemäßen Entwicklung gesprochen werden kann. Für die ersten Lebensjahre gilt jedoch:
Zuerst kommt das Denken, dann das Verstehen und schließlich das Sprechen. Sprachbildung ist daher eng verzahnt mit allen anderen Lern- und Bildungsprozessen der frühen Kindheit. Auch wenn die Fähigkeit zum Spracherwerb angeboren ist, können Sprache und Sprechen nur in der direkten Interaktion mit anderen Menschen erlernt werden. Jedes Bemühen um die Förderung von Sprachverständnis und Sprachentwicklung setzt voraus, dass Kinder unter Einbeziehung aller Sinne in kommunikative Prozesse einbezogen werden. Sprachbildung beruht daher auf guten Sprachvorbildern, beziehungsvoller Interaktion und dem kommunikativen Miteinander im Alltag der Kinderkrippe. Sie ist kein zusätzliches und periodisch stattfindendes Angebot, sondern muss bei der Gestaltung aller Kommunikations- und Interaktionsprozesse systematisch mitgedacht werden. So wie Kinder mit Gegenständen spielen, spielen sie auch mit ihrer Sprache. Aufgrund dessen, was sie hören, stellen sie Regeln über den Gebrauch von Sprache auf. Sie experimentieren mit ihrer Stimme, mit Mimik, Gestik, Worten und grammatikalischen Strukturen. Sie freuen sich, wenn sie unbekanntes Terrain erobern und dabei etwas für sie Neues ausdrücken können. Fantasie und Vielfalt prägen dabei ihre Ausdrucksweisen. Wir gehen auf die spielende Erforschung der sprachlichen Welt ein, bekunden ihr Interesse an kreativen Äußerungen und Wortschöpfungen und bieten Kindern als Gesprächsvorbild immer wieder neue Wörter und Satzstrukturen an. Ausgehend vom jeweiligen Sprachverständnis eines Kindes gehen wir auf seine Interessen ein. Sprachbildung ist damit immer Teil der Vermittlung von Weltwissen. Kinder, die immer komplexere Alltagssituationen in Sprache ausdrücken können, bringen über Sprache Ordnung in ihr Handeln und Denken.
Den ersten verbalen Äußerungen muss die Entwicklung feinmotorischer Kompetenzen vorausgehen. Die stetige Wiederholung von Reimen und Liedern im Krippenalltag ermöglicht das spielerische Verbinden von Atmung, Stimme und Rhythmusgefühl zu sprachlichen Bewegungsabläufen und damit die Sprechfertigkeit. Die Kinder beginnen, Mund- und Lippenbewegungen nachzuahmen und Laute zu bilden. Erste Lautverbindungen bzw. „Lallmonologe“ sind daher vor allem ein spielerisches Training der kindlichen Sprechwerkzeuge, das auf Erwachsene gleichzeitig eine kommunikative Signalwirkung ausübt. Sie gehen fließend in Lautbildungen und die Nachahmung erster Worte über.
Für Kinder, in deren Familien kein oder nur wenig Deutsch gesprochen wird, ist die Kinderkrippe ein wichtiger Erfahrungsraum, um in die deutsche Sprache hineinzuwachsen. Die verschiedenen Sprachwelten sollten dabei nicht miteinander konkurrieren oder unterschiedlich bewertet werden. Eltern mit nicht deutscher Herkunftssprache sind in der Pflicht, Kindern einen positiven Zugang zur deutschen Sprache zu ermöglichen. Wir wissen, dass die Familiensprache eng mit dem Selbstbild und der Identitätsentwicklung eines Menschen verknüpft ist und geachtet werden muss. Mehrsprachiges Aufwachsen ist kein Hindernis, um gutes Deutsch zu erwerben. Gerade in der frühesten Kindheit können Kinder mehrere Sprachen gleichzeitig erwerben. Dies fördert sogar die Flexibilität im sprachlichen Denken eines Kindes und damit auch seine kognitive Entwicklung.
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